Heilen mit Rhythmus – TaKeTiNa® in der Psychotherapie und Psychosomatik

von Frank Rihm

„TaKeTiNa hat mich an einem Ort erreicht, 
den ich selbst nicht in mir kannte. Vielen Dank dafür!“ 

(Patientin der Fachklinik Heiligenfeld)

Wenn Patienten und Patientinnen der Fachklinik Heiligenfeld am Ende der rhythmustherapeutischen Arbeit am Boden liegen und dem über 100 Minuten Erlebten nachspüren, dann wird schlagartig klar, was die einzigartige Mischung aus Rhythmus, Musik, und Bewegung, die TaKeTiNa® darstellt, für Potentiale in sich birgt. Die Patientinnen und Patienten fühlen sich seit langer Zeit zum ersten Mal wieder „in Ordnung“, sie haben nach ansonsten ständigem Gedankenkreisen und Grübelzwängen mit einem Mal einen „angenehm leeren Kopf“, sie fühlen sich – trotz jahrelanger Traumatisierung in der Vergangenheit – plötzlich in der Großgruppe mit all den anderen Menschen „sicher und geborgen“, oder sie spüren aus der eigenen Mitte heraus, dass sie niemanden etwas beweisen müssen und sich das jahrelange „gut sein müssen“ für Momente völlig auflöst.

„Rhythmus ist in uns allen drin. Bei mir erstarrt er oft,
was mir die Lebendigkeit und den Zugang und Kontakt zu mir selbst versperrt.
Rhythmus löst diesen Knoten behutsam auf.
Ganz im eigenen Tempo und genau zum richtigen Zeitpunkt.“

(Patient der Fachklinik Heiligenfeld)

Menschen, die sich in eine psychotherapeutische oder psychosomatische Behandlung begeben, tun dies letztlich, weil sie im Laufe ihrer Biographie nicht-funktionale inneren Strukturen entwickelt und verfestigt haben. Was auch immer die Ursache Ihrer psychischen Probleme sein mag, sie selbst oder ihre Umwelt leiden unter diesen nichtfunktionalen, innerpsychischen Strukturen. Dies trifft für Menschen mit einer depressiven Symptomatik genauso zu wie für solche mit einer Traumafolgestörung, für Hilfesuchende mit einem narzisstischen Störungsbild ebenso wie für die vielen Menschen, die mit Ängsten die Klinik oder die ambulante Therapie aufsuchen. 

In den gängigen und prominenten diagnostischen Manualen aus Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik werden einzelne Symptome aufgelistet, die bei Vorhandensein dazu führen, dass Hilfesuchende die ein oder andere Diagnose bekommen. Im Hinblick auf Forschung und einige Aspekte der Psychotherapie ist dieses Vorgehen durchaus sinnvoll. Auf der anderen Seite steht jedoch der leidende Mensch, der in seinem gesamten Sein viel mehr ist als die einzelnen Kriterien, die zu dem Label „Borderline“, „Suchterkrankung“, „Burnout-Syndrom“ oder „neurotisches Störungsbild“ führen. Die dysfunktionalen, innerpsychischen Strukturen lassen den ganzen Menschen leiden.

„TaKeTiNa ist für mich: Rausfallen und aufgehoben sein, 
Fehler machen und neu versuchen, Konzentrieren und Scheitern, 
immer wieder getragen sein, vom Kreis, vom Rhythmus, 
von der Verbindung zur Mitte, zur Trommel, zum Sprechrhythmus, 
immer wieder Haltepunkte, die auf- und ausrichten.“

(Patientin der Fachklinik Heiligenfeld)

Die TaKeTiNa® Rhythmustherapie ist nicht störungsspezifisch, richtet sich zunächst also nicht an einzelne, isolierte Probleme oder Diagnosen von Menschen. Sie zielt auf den ganzen Menschen ab. Sie lädt diesen dazu ein, archetypische Elemente und Wirkungen von Rhythmus unmittelbar und direkt im Körper zu erfahren. Wenn Menschen durch Schritte, Klatschen und Sprechen/Singen den Rhythmus mit jeder Zelle erfahren, bahnt sich damit der Weg zu den in unserem Nervensystem tief innewohnenden und verankerten rhythmischen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Diese machen unser Leben erst möglich: Rhythmus steht im Zentrum jeden Lebens und jeglicher lebendigen Entwicklung. 

Die Konzentration auf archetypische Rhythmusphänomene ermöglicht es den Patientinnen und Patienten diese grundlegend „gesunde“ Strukturen in sich zu spüren. Weil diese jedoch nichts Statisches sind, sondern eher innerhalb einer lebendigen Dynamik durch Selbstorganisationsprozesse entstehen, sieht sich der Patient, die Patientin immer wieder auch einer Unsicherheit gegenüber. Momente des „im-Rhythmus-seins“ wechseln mit Momenten des „aus-dem-Rhythmus-fallens“ ab, Sicherheit und Unsicherheit (manchmal auch Chaos) wechseln einander ab, zumal die Komplexität im Verlauf der Aktivität wächst. 

„TaKeTiNa versetzt mich in ein Lernfeld, wie wir als Kinder das Laufen lernen geübt haben:
unsicher, haltlos, schwankend, versuchen zu stehen, einen Schritt setzen und hinfallen – 
wieder aufstehen, stehend, probierend, ein Schritt, ein weiterer – es gelingt! 
Freude darüber – und weiter geht es – ein Lernfeld für Erwachsene.“

(Patient der Fachklinik Heiligenfeld)

Aber selbst in Phasen großer Unsicherheit bleiben die „gesunden“ Strukturen noch spürbar. Auch wenn sie recht schnell merken, dass sie hier mit rationaler Kontrolle nicht weiterkommen, spüren die Patienten und Patientinnen, wie diese lebensbejahenden und das Leben erst ermöglichenden Strukturen zum Greifen nahe sind, oder wie sie sie vielleicht schon ein Stück weit verinnerlicht haben. Weil sie ihre Unsicherheit vor dem Hintergrund dieser gesunden und Entwicklung fördernden Strukturen erleben, trauen sie sich, ihre Probleme und Schwierigkeiten, die an dieser Stelle meist aus der Tiefe heraus auftauchen, anzuschauen. Dies kann dann der Beginn eines tiefgreifenden Veränderungs- und Entwicklungsprozesses psychischer Probleme sein.

Zum einen können die Patientinnen und Patienten Ihre Defizite deutlich spüren. Sie fühlen vielleicht, wie sie sich vom Rhythmus und der Gruppe nicht tragen lassen können, oder wie ihnen die ohnehin schon schwachen Selbststeuerungsfähigkeiten (Handlungen, Gefühle, Bewusstseinszustände, Gedanken) entgleiten. Sie bemerken vielleicht schmerzlich, wie sie nicht vertrauen, sich nicht anvertrauen können. Oder ihnen wird bewusst, wie sie innerpsychisch in Isolation und Vereinsamung gehen und sich einsam machen. Oder ihnen wird klar, wie sie angesichts Ihrer Unsicherheit keine inneren Instanzen zur Verfügung („Objektbilder“) haben, die sie in Ihrem Selbstwert stützen können, oder die ihnen Trost spenden können, wenn es mal nicht so wie gewünscht klappt. 

„TaKeTiNa macht mich weicher, mein „Panzer“ bekommt Löcher.“

(Patientin der Fachklinik Heiligenfeld)

Zum anderen tauchen, wenn im Laufe der Rhythmusarbeit die Komplexität in den Angeboten und Anforderungen steigt, eher konflikthafte Themen und tiefer verdrängte Themenkomplexe auf. Hier geht es meist um Ambivalenzen. Vielleicht bemerkt ein Patient oder eine Patientin, wie er/sie sich zu sehr von den Therapeuten und Therapeutinnen oder der Gruppe abhängig macht, anstatt selbst Entscheidungen zu treffen (wozu die Teilnehmer während der rhythmischen Arbeit immer wieder aufgefordert werden). Oder er/sie empfindet die Strukturen der Therapiestunde, die Regeln und die Angebote als übergriffige Eingriffe in seine Person und muss sich innerlich dagegen auflehnen. Ein anderer oder eine andere bemerkt vielleicht, wie er/sie sich einerseits gerne von den Therapeuten oder Therapeutinnen oder der Gruppe „versorgen lassen“ möchte, andererseits aber die Position des Selbstgenügsamen oder der Selbstgenügsamen einnimmt. Angesichts der wachsenden Komplexität und der eigenen Grenzen bricht bei einem anderen Patienten oder einer anderen Patientin vielleicht das Selbstwertgefühl völlig ein und er entwertet sich innerpsychisch aufs schärfste.

Unsere Patienten, Patientinnen merken in der Regel sehr schnell, dass TaKeTiNa einerseits etwas Spielerisches, Verspieltes und Leichtes transportiert und daher auch viel Spaß und Freude machen kann, dass es jedoch gleichzeitig wie ein großer Spiegel daherkommt, der die eigenen, das Leben behindernden Muster, Probleme und Schwierigkeiten wie unter einem Brennglas aufzeigt. Manches davon ist auch im Außen deutlich sichtbar, denn viele der lebensbehindernden Umgangs- und Erlebensweise der Patienten und Patientinnen zeigt sich unmittelbar im körperlichen Umgang mit dem Rhythmus. Jemand, der im Leben nicht wirklich anwesend ist, ist dies in seiner rhythmischen Aktivität natürlich auch nicht.

Da die rhythmische Aktivität die Patientin und den Patienten immer wieder ins Hier und Jetzt zurückholt, geht er/sie allerdings nie ganz in diesen Themen verloren. Man kommt letztlich gar nicht umhin, zu bemerken, dass es nicht nur die „alten Geschichten“ im innerpsychischen Bereich gibt, die da plötzlich auftauchen, sondern dass gleichzeitig die anderen Menschen mit einem anwesend sind, den Rhythmus weiter vorantreiben und dass der Rhythmus und die Gruppe bei all dem inneren Erleben trägt. Während also im Gruppenverfahren die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen diese wichtige Funktion des „Dritten“ einnehmen, ist es in der rhythmustherapeutischen Einzeltherapie der Therapeut oder die Therapeutin, der oder die dafür sorgt, dass das im Innenraum Erlebte ständig auch mit dem Erleben des Hier und Jetzt verbunden wird. 

Darüber hinaus geschieht jedoch in beiden Situationen noch etwas anderes von großer Bedeutung und Tragweite: der Patient oder die Patientin erlebt teilweise das Alte (das Trauma, die Vernachlässigung, die kränkende Beziehungserfahrung usw.) und gleichzeitig kann er/sie kann sie spüren, dass er, dass sie jetzt nicht (wie damals) alleine damit ist. Dieses „Ich bin damit nicht alleine!“ ist für viele psychotherapeutische Prozesse ein Dreh- und Angelpunkt und wird in der Literatur auch immer wieder beschrieben als „korrigierend-emotionale Erfahrung“. 

„TaKeTiNa ist ein Geschenk, ist Neu- und Umlernen,
bahnt neue Wege, öffnet für neue Erfahrungen auf der emotionalen Ebenen,
von Vertrauen, Halt und Verbundenheit, sensibilisiert auf der Körper-Ebene
für Struktur, Aufrichtung und Klarheit, sorgt auf der geistigen Ebene
für Leere, Fokussierung, Konzentration und Hingabe.“

(Patientin der Fachklinik Heiligenfeld)

Am Ende der Therapiestunde, im Nachspüren und Integrieren, kommt die Entwicklung zu einem vorläufigen Abschluss. Hier spüren die Patientinnen und Patienten dem gerade Erlebte, und vor allem die Entwicklung, noch einmal nach. Sie integrieren die Erfahrungen und erleben sich in diesem Punkt als verändert. Nicht selten haben sie das Gefühl „mehr mit sich in Kontakt“ zu sein, oder ihr „Wesen“ mehr zu spüren, „unabhängiger“ und „freier“ von einer Außenorientierung zu sein. Gleichzeitig berichten Patienten/Innen später, wie der Rhythmus und die Themen in ihnen weitergewirkt haben, oder wie ein Patient es einmal ausdrückte, dass noch Tage später das „GaMaLa“ (Anmerkung: Rhythmussilben) in ihm nachgewirkt hätten, er den Sprechgesang, gehört, seine Seele singen gehört und seine Schritte im Rhythmus gespürt habe: „gelöst, aufrecht und frei“, und damit seinem „Wesen näher“.

Während im rhythmustherapeutischen Einzelgespräch die Aufarbeitung des Erlebten unmittelbar in der therapeutischen Beziehung mit dem Therapeuten oder der Therapeutin angesprochen, vertieft und integriert werden kann, besteht im Gruppenverfahren am Ende die Möglichkeit mit einzelnen Patienten und Patientinnen im Verbalen einen Schritt weiterzugehen.

„Die Bestätigung, dass ich dem Teil von mir, den ich innere Weisheit nenne, 
vollkommen vertrauen kann, habe ich im TaKeTiNa erlebt. 
Ich gehe in Kontakt mit meinem weisen inneren Kern.
Dieser innere Weise hat mich nach wochenlanger Pause 
wieder zurück zu TaKeTiNa geführt. Und ich bin ihm sehr dankbar dafür.“

(Patient der Fachklinik Heiligenfeld)

Frank Rihm wurde 1961 in Freiburg/Breisgau geboren. Nach dem Studium der Kreativen Therapie in Sittard (Niederlande) arbeitete Frank Rihm in verschiedenen psychotherapeutischen/psychiatrischen Einrichtungen und ist seit 1996 in den Heiligenfeld Kliniken tätig (Gesamtleitung Kreativtherapie). Frank Rihm ist Dipl.- Musiktherapeut, TaKeTiNa-Rhythmuspädagoge und Gestalttherapeut. Er hat Weiterbildungen in Somatic Experiencing (Traumatherapie nach Peter Levine) und in verschiedenen Verfahren der Humanistischen Psychotherapie absolviert. Er ist anerkannt durch den Verband Europäischer Psychotherapeuten (EAP, European Association for Psychotherapie) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Sein Interesse gilt seit vielen Jahren der Therapie von Patienten mit einer Ich-strukturellen Störung und Patienten mit einer Komplextraumatisierung. In Heiligenfeld ist Frank Rihm gleichzeitig im Bereich der tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapie und mit nonverbalen Verfahren (hier besonders mit TaKeTiNa) tätig und kann so seit vielen Jahren Gemeinsamkeiten, Unterschiede, aber auch Ergänzungsmöglichkeiten beider Therapierichtungen erfahren und studieren.